Tuamotus (2): Rangiroa-Perlen

Verschlossene "Austern" beim Gynäkologen
 
Polynesisch-französische Reiseführer behaupten gerne, Rangiroa sei das größte Atoll des Südpazifiks. Aber das stimmt nicht. Dieser Superlativ gebührt Ontong Java in den Solomon-Inseln; es schließt eine Fläche von 1400 Quadratkilometern ein, Rangiroa "nur" 1020 Quadratkilometer. Das größte Atoll der Welt ist Kwajalein in den Marshall-Inseln (2174 qkm).
 
Was soll's? Rangiroa ist riesig und heißt deshalb auch so: "riesiger Himmel". Es ist 78 km lang, 24 km breit, 225 km Umfang. Auf seinem Riff sitzen 240 Motus, diese langgezogenen, schmalen Inseln. Aber es gibt nur zwei breite Passagen für Schiffe - aber hundert Kanäle zwischen den Motus, so genannte Hoa(s).
 
Wenn man sich solch einem Atoll nähert, erscheinen die Inseln - weil sie so flach sind - wie Striche am Horizont. Erst wenn man relativ nahe ist, kann man die Motus sehen. Seit ich auf den Tuamotus war, kann ich verstehen, dass viele Inseln untergehen werden, wenn der Meeresspiegel aufgrund des Klimawandels steigt.
 
Es gibt ein paar wenige Inseln auf den Tuamotus, die noch wie richtige Inseln aussehen. Die sind weitaus später entstanden als die Ringe. Eine ist sogar 400 Meter hoch. Die Tuamotus sind übrigens die weltweit größte Gruppe von Korallen-Atollen.
 

 
 
Ein Strich am Horizont
 
Ein Tuamotu-Atoll - und damit auch Rangiroa - zu entdecken geht so: Man steht an Bord und am Horizont taucht plötzlich ein Strich auf. Dieser Strich ist ein mit Vegetation bewachsene Koralleninsel (Motu).
 
Tenderboot-Transport
 
Mit solchen Tenderbooten wurden wir immer von der Aranui an Land transportiert.
 
Da draußen rechts liegt die Aranui neben einer eindrucksvollen Privatyacht.
 
Auf der Perlenfarm 'Gauguin'
 
Erst erzählte uns ein Perlenmann, wie Perlen produziert werden. Nämlich, indem ein Kern - ein so genannter - Nukleus in eine Muschel gesetzt wird.
 
Damit sich die Muschel entspannt, klemmen Klemmspezialisten eine Art Wäscheklammer zwischen das Ober- und Unterteil der Schale.
 
So sieht das aus. Und wenn die wertvolle Perle draußen ist, pflanzt der Gynäkologe der Muschel einen neuen Nukleus ein. Nach vier bis fünf Jahren dasselbe Spiel. Das kann mehrmals so gehen. Wenn die Muschel gut gearbeitet hat, wird sie später mal in die Freiheit entlassen - die natürlich schnell enden kann, falls ein gefräßiger Seevogel sie entdeckt.
 
 
Nach mehreren Jahren im Perlenwachstumsbecken werden die Zaunrollen mit den aufgeschnürten Muscheln aus dem Wasser gezogen, und wenn man Glück hat, ist in jeder Muschel eine wertvolle Schwarze Perle.
 
Die Freuden des Lebens
Essen hält ja Leib und Seele beisammen - und bei mir, wie jeder weiß, ganz besonders. Deshalb schaute ich heimlich, was auf dem Büffet am Strand aufgetischt war und wie schnell der riesige Fisch gegrillt wurde.
 
Schnorchel-Paradies
 
Nach einer kleinen Siesta packte ich meine Schnorchelausrüstung aus, um mir die schönen Korallen anzuschauen. Das heißt, ich gab Mama das Schnorchelzeugs und schaute mir die tollen Korallenstücke an, die am Strand herumlagen... Wenn ich schnorchle, dann nur in einer entschärften Variante - von einem Boot oder einer Luftmatratze aus. Ich gucke mit der Maske vor dem Gesicht, ins Wasser, damit ich nicht so nass werde...
 
P.S. Die Passagiere, die wir auf Rangiroa verloren, blieben freiwillig, denn Rangiroa war unsere letzte Station im Rahmen unserer Kreuzfahrt auf der Aranui. Sie hatten keine Lust, die endlose Schiffsreise zurück nach Tahiti zu machen, bräunten sich einige Tage auf Rangiroa und flogen dann nach Papeete. Das ist 388 Kilometer entfernt.
 
P.P.S. Wir nutzten die Zeit auf See zur Bearbeitung unserer Fotos. Dazu kommt man kaum, wenn man von einem Highlight zum anderen eilt. Nach den Landausflügen bleibt eigentlich nur Zeit zum Duschen oder um sich abzustauben, dann ist schon wieder das Briefing mit den Informationen für den nächsten Tag - und dann schon wieder Abendessen. Echt stressig!
 
 
Eine Passage
 
Dann eilt man zum Bug des Schiffs und sieht ein zweites Motu und eine Passage zwischen den Inseln. Das hier ist die Tiputa-Passage, durch die wir - aus Norden kommend - in die Lagune von Rangiroa gefahren sind.
 
Schwimmwestenzwang
 
Auf dem Boot musste man immer eine Schwimmweste anlegen. Eine pro Person genügte.
 
Ich war immer auf einem der ersten Boote und schaute, wie die nächsten Gruppen an Land kamen.
 
Muschel-Operation
 
Dann hängt die Muschel - keine Auster (siehe Kasten unten) - 2 bis 6 Jahre im Meereswasser und bildet während dieser Zeit eine schöne Perle um diesen Kern herum.
 
Dann kommt dieser Typ ins Spiel. Ich würde ihn Muschel-Gynäkologe nennen. Er nimmt die relaxten Muscheln aus der Kiste...
 
Solange die Muschel in der Farm arbeitet, landet sie nach dem gynäkologischen Eingriff in solchen Einzelzellen-Netzen. 
 
 
Hermaphroditen
 
Ich habe ja schon kurz angedeutet, dass die Muscheln keine Gesellschaftstiere sind. Das tollste aber ist, dass sie zweigeschlechtlich sind und ihr Geschlecht ändern können, so oft sie wollen. Dieses Phänomen heißt Hermaphrodismus.
 
Normalerweise wächst die  Pazifische Felsmuschel zunächst als Männchen heran. Nach einem Jahr wandelt sich ein Teil der Population in Weibchen. Diese wiederum produzieren Nachwuchs, indem sie laichen. Sie öffnen kurz ihre Schale und stoßen auf einen Schlag 50 bis 100 Millionen Eier aus. Dann geht die Klappe wieder zu. Gleichzeitig geben männliche Tiere Sperma ab und befruchten die Eier im offenen Meer.
 
Einer der einheimischen Grillspezialisten sah aber, dass ich ihn beobachtete. Er versicherte mir, dass die Leute auf den Inseln keine Menschen- und Bärenfresser (mehr) sind, und dass ich näher kommen sollte. Er hielt mir ein Stück Fisch vor die Nase...
 
Meine Schätze
 
Unglaublich, welch tolle Formen und Muster die Korallen haben!
 
Falls jemand denkt, die Menschen wären die größten Baumeister der Geschichte, sei eines besseren belehrt: Korallenriffe sind die größten von Lebewesen geschaffenen Strukturen der Erde. In Wikipedia steht, dass es bei den Malediven bis zu 2200 Meter hohe Korallenriffe gibt. Sie werden von Nesseltieren gebildet. Bloß damit ihr das mal wisst!
 
 
 
Ein schneller Blick
 
Dann bin ich schnell in unsere Kabine gerannt, habe die Abdeckung am Bullauge hochgeklappt und mich in Mamas Rucksack gepackt, um an Land zu gehen. Die Aranui ankerte in der Nähe der Tiputa-Passage.
 
Kokospalmen-Fremdlinge 
 
Am Strand verschaffte ich mir einen Überblick. Kokospalmen sind übrigens keine original Vegetation. Weil sie mit Kopra - das ist das getrocknete Kernfleisch von Kokosnüssen, aus dem Kokosöl gewonnen wird - gutes Geld verdienen konnten, rodeten die Leute ihre Inseln und pflanzten Kokospalmen an. Die stehen auch heute noch überall.
 
 
Durch solch einen Palmenhain fuhren wir mit einem Bus zu einer Perlenfarm namens "Perles Gauguin", in der Schwarze Perlen produziert werden.
 
... und holt die schwarze Perle, die auch rosarot oder perlmuttfarben sein kann, vorsichtig aus den Innereien der Muschel heraus.
 
Danach werden die Muscheln - auch einzeln - an Schnüren befestigt (siehe rechts). Den Muscheln ist das vermutlich egal, weil sie keine  intime Gesellschaft brauchen, um sich fortzupflanzen. Vielleicht sind sie auch deshalb so verschlossen wie Austern. Die Muschelschnüre werden in solche Plastikzaun-Rollen befördert, damit sie sicher vor Muschelfressern sind und die  Perlen in Ruhe wachsen können.
 
Das Geschäft mit den Perlen
 
Der Perlen-Fachmann bei "Perles Gauguin" erzählte uns, dass mit Schwarzen Perlen nicht mehr viel Geld zu verdienen ist. Er sagte, früher hatten die Perlen ihren Preis, den die Kunden zu bezahlen hatten. Heute sagt der Kunde, wie viel er zu bezahlen gewillt ist - und bekommt die Perlen dann auch zu diesem Preis.
 
Als Grund für den Preisverfall nannte er die illegale Produktion von Perlen auf abgelegenen Inseln. Illegal, weil sie ihre Geschäfte nicht anmelden und folglich auch keine Steuern zahlen. Diese Leute verkaufen ihre Perlen zu Dumpingpreisen und machen somit für ehrliche registrierte Händler die Preise kaputt. Bei "Perles Gauguin" haben sie deshalb Kurzarbeit.
 
 
Mir lief das Wasser im Munde zusammen, aber bis zum Essen dauerte es noch eine kleine Weile. Ich suchte mir einen schattigen Platz unter den Palmen und schaufelte all die Leckereien, die ich auf meinen Teller geladen hatte, in mich hinein. Mmmmh!
 
Sonnenuntergang
über Tikehau
 
Am Spätnachmittag wurden wir auf die Aranui zurückgeschipppert. Erst mussten wir natürlich durch die Passage aus der Lagune hinaus navigieren. Dann fuhren wir an den vielen Motus von Rangiroa entlang. Die Sonne ging hinter dem Nachbar-Atoll Tikehau unter.
Ich klappte... das heißt... Ich ließ den schweren Eisendeckel vor dem Bullauge hochheben, stapelte einige Gegenstände aufeinander, damit ich hochklettern und zum Fenster hinausschauen konnte.
 
 
 

Muscheln - nicht Austern

Die Perlmuscheln sind Muscheln und keine Austern. Der Begriff wird oft falsch übersetzt.
 
Der lateinische Name der Perlmuscheln ist Pinctada margaritifera cumingii. Selbst Wikipedia übersetzt den Namen mit Schwarzlippige Perlenauster, um an anderer Stelle klarzustellen, dass der englische Begriff "pearl oyster" oft fälschlicherweise als Perlenauster übersetzt wird. Und weiter: "Sie sind nämlich nicht mit der als Delikatesse geltenden Europäischen Auster (Ostrea edulis) oder der Pazifischen Felsenauster (Crassostrea gigas) zu verwechseln, sondern gehören zur Familie der Flügelmuscheln."
 
So ist's. Also: Muschel - nicht Auster!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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