Eine magische Kultstätte und eine wundersame Blume
Auf Raiatea war ich zwei Mal: einmal im Rahmen einer Südsee-Kreuzfahrt und ein zweites Mal, um auf einer Wanderung eine der seltensten Blumen der Welt zu suchen: die Tiare Apetahi (Apetahia raiateensis).
Raiatea ist eine recht große Insel, die Runde auf der Küstenstraße ist 98 Kilometer lang. Strände gibt es keine, auch nicht auf der Nachbarinsel Tahaa (70 km Umfang). Dafür ist Raiatea die heiligste Insel Französisch-Polynesiens. Der Marae Taputapuatea (tapu = heilig) ist das Zentrum der polynesischen Glaubenswelt, es ist die wichtigste Tempelanlage. Jeder Marae in Polynesien musste zum Zeichen der Verbundenheit einen Stein von Taputapuatea enthalten. Von Raiatea aus zogen die alten Polynesier in die Welt hinaus und nahmen ihre Religion und Kultur in die neue Heimat mit, ob nun in Neuseeland, Hawaii, auf den Cook Islands oder auf der Osterinsel.
Mein erster Besuch mit dem Kreuzfahrtschiff begann mit einer Krise: Weil zu der Zeit die Schweinegrippe umging, wollten die Behörden die Passagiere nicht von Bord lassen. So standen wir stundenlang an der Reling und starrten auf die traumhaft schöne Silhouette von Bora Bora. Wir wussten, wenn sie uns hier in Uturoa, dem Hauptort von Raiatea, nicht von Bord lassen würden, dann würden wir auch Bora Bora und all die anderen französisch-polynesischen Inseln nur aus der Ferne sehen, denn Raiatea war der erste Stopp in dieser Inselgruppe. Zum Glück gab's nach fünf Stunden ein Happy-End.
Fehlstart in Uturoa Stundenlanges Warten an der Werft in Uturoa. Nach vier Stunden machte die Crew eine Notfallübung (siehe unten). Wir hatten kaum noch Hoffnung, dass wir Land betreten dürften. Bei jeder Lautsprecherdurchsage hofften wir auf grünes Licht, aber meistens gab es nur Anweisungen für die Crew. Ein Wunder geschieht Und dann das Wunder: Nach stundenlangen Verhandlungen mit den Behörden in Papeete durften wir an Land! Hinter dem knallig türkisblauen Wasser endet die Lagune. Sie wird von kleinen Koralleninseln, den Motus, begrenzt. Gegen Abend zündeten die Menschen Feuerchen in ihren Gärten an, um die vielen Moskitos zu vertreiben. Der Marae Taputapuatea Der Marae Taputapuatea an der Südostküste von Raiatea ist, wie schon in der Einleitung gesagt, die wichtigste und heiligste aller polynesischen Tempelanlagen. 1763 griffen Krieger von Bora Bora die Insel an und zerstörten die Gotteshäuser von Taputapuatea. 1994 begann die Restaurierung der archäologischen Überreste. Seit 2017 gehört die Anlage zum UNESCO-Welterbe. In der Nachbarschaft gibt es zahlreiche weitere Tempelanlagen. Wanderung auf den Mt. Temehani Bei meinem zweiten Besuch reisten wir am frühen Morgen mit dem Flugzeug von der Insel Maupiti an und flogen schon am Abend nach unserer Wanderung weiter nach Tahiti, wo wir eine Hotelunterkunft hatten. Die Pflanzenwelt So sehen Vanillepflanzen aus. Auf der Nachbarinsel Tahaa, die nur durch eine Meeresstraße von Raiatea getrennt ist, gibt es große Plantagen. Französisch-Polynesien ist berühmt für seine Vanille. ![]() Eine weitere Ansicht von Tahaa, zusammen mit meiner Trägerin. Die Flora Raiateas ist einzigartig. 28 der 194 endemischen Pflanzen Französisch-Polynesiens - das sind Pflanzen, die nirgendwo sonst auf der Welt wachsen - kommen nur auf dem Temehani-Plateau vor. Um die einheimischen Pflanzen vor der Verdrängung durch invasive Gewächse wie die Feijoa und Falsche Myrte zu schützen, hatte der Pflanzenökologe Ravahere Taputuarai (Spitzname: "Rava") mitten in der Pampa ein Zelt aufgeschlagen. Dort oben testete er wochenlang Vernichtungsmethoden, die die indigene (= einheimische) Flora nicht schädigen. Endlich! Die Tiare Apetahi ![]() Nach rund zwei Stunden Marsch entdeckten wir endlich eine Tiare Apetahi - hier eine halb verwelkte Blüte und eine Knopspe. Die Tiare Apetahi (Apetahia raiateensis) ist eine seltsame weiße Glockenblume mit fünf verbundenen halbkreisförmig angeordneten Blütenblättern, die aussehen wie eine Hand oder halbierte Glockenblume. Nachts schließt sich die Blüte. ![]() Auf dem Gipfelplateau Talblick auf Uturoa und die Lagune von Raiatea. Hier gilt: Grüne Berge, blaue Täler... Wieder drunten auf Meereshöhe, wies dieses Schild nach oben. Aber nicht nur ich fand, dass der Mt. Temahani einmal am Tag genügt... | An Bord gefangen Wir hatten die Hoffnung, das Schiff verlassen zu dürfen, fast schon aufgegeben. Wir und alle Menschen waren sooo enttäuscht. Frust pur. Manche Leute gaben sich der Tristesse hin, andere schlossen sich in der Kabine ein, andere legten sich an Bord in die Sonne. Inselerkundung auf dem Roller Wir hatten einen Motorroller (Scooter) gemietet, mit dem wir um die Insel und durchs Landesinnere fuhren. Überall in bewohnten Gegenden lungerten böse Hunde herum, die uns anbellten und/oder wütend hinterherrannen. Von denen hielten wir uns tunlichst fern. Wegen der Hunde haben wir so manches Foto nicht gemacht. Menschenopfer bis 1853 Der große Stein auf dem Bild rechts ist der Opferstein, auf polynesisch: Ofa'i tapu taata. Hier wurden noch bis 1853 Menschenopfer gebracht, damals wurden 100 Männer umgebracht. Bei den Zeremonien bekam der Priester das rechte Auge des Opfers und der Kriegsgott Oro das linke. 1969 wurden in der Tempelanlage rund 5.000 Schädel entdeckt. Auf der Suche nach der Tiare Apetahi Unser Wanderführer Thierry holte uns am Flughafen ab. Nach einem kurzen Stopp bei ihm zu Hause ging's gleich weiter zum Fuß des Mt. Temehani, an dem die Tiare Apetahi wächst. Myrte und Silberfarn Ein Myrtengewächs, dessen Blüten so ähnlich aussehen wie die des neuseeländischen Pohutukawa und Rata. Auf dem Foto darüber seht Ihr, dass der Silberfarn nicht nur in Neuseeland (und auf meinem T-Shirt!) wächst. Aber nur in Neuseeland ist er ein nationales Symbol. Wir sahen auch viele Orchideen und Pandanusbäume, die erkennt man ganz leicht an ihren vielen dicken Luftwurzeln. Hier ging die Wanderung los. ![]() Und von weiter oben Blick auf denselben Berg! Der Bora-Bora-Blick von der Zeltstation des Pflanzenökologen in luftiger Höhe. Unser Bergführer Thierry brachte "Rava" ein paar Dosen Cola mit, damit er die Zivilisation nicht ganz vergaß... Blüten gehen nachts zu Die Tiare Apetahi wächst nur auf den drei Gipfelplateaus des Mt. Temehani, nirgendwo sonst auf Raiatea. Deshalb darf das Te mehani ‘ute ‘ute seit 2005 nur mit Sondergenehmigung betreten werden. ![]() Diese Idioten schlagen auch die dicken, fleischigen Arme von windschiefen Pandanusbäumen mit Macheten ab. Wer sich an der seit 1995 streng geschützten Tiare Apetahi vergreift, dem drohen 8420 Euro Geldstrafe. Ein Warnschild steht vor jedem der wenigen Sträucher, die meist abseits der Wege stehen. Verdientes Baguette Wenn das kein Service ist! Thierry hatte große Dosen mit Baguette-Sandwiches, Obst und Kuchen auf den Berg getragen. | Bora Bora in der Ferne In der Ferne lockte die traumhafte Silhouette von Bora Bora. Eigentlich hatten wir die ganze Kreuzfahrt nur wegen Bora Bora gebucht - weil die Reise mit dem Schiff viel billiger war, als auf eigene Faust dorthin zu fliegen. Zwischendurch gab's Mittagessen. Koala und ich nahmen das Dessert mit in die Kabine. Berg- und Talfahrten Unterwegs in östlicher Richtung an der Südküste. "Est" ist das französische Wort für "Osten". So sehen die Points kilométriques auf Raiatea aus - eindeutig nicht so phantasievoll wie auf Moorea, wo die "Points kilométriques" die Herzform der Insel haben. Wir befinden uns hier in 47 Kilometern Entfernung von Uturoa. Auge um Auge am Opferstein Am Ende der Rundreise auf dem Scooter schlendeten wir noch eine Weile an den Verkaufsständen an der Werft von Uturoa entlang. Und welch eine Überraschung! Eine Gruppe sehr freundlicher Kinder, die gerne Fußball und Handball spielen, meinten, ich solle doch eine Weile mit ihnen zusammensitzen - weil ihr Bär ein bisschen mit mir plaudern wollte! Und dann tauchte auch noch ein kleiner Panda auf! Auf dem Weg nach oben musste ich auch den einen oder anderen Bach überqueren. Ich ließ mich tragen... ![]() Auf diese zackige Bergspitze mussten wir auch rauf! Das war gar nicht so einfach. Dazu waren einige Klettereinlagen über beeindruckende Felsbrocken aus vulkanischem Tuffgestein nötig, und an manchen Stellen musste man sich an einem Seil nach oben ziehen. Extrem empfindliche Pflanze ![]() Thierry, ein registrierter Bergführer und leidenschaftlicher Naturschützer, hinter einem Busch der Tiare Apetahi. Die Blüten wachsen an einem ein Meter hohen Busch mit verholzten Zweigen und robusten lanzettförmigen Blättern. Die Zweige brechen leicht ab und die Wurzeln werden leicht zertrampelt, deshalb Vorsicht rund um die Pflanze! Versuche, die Glockenblume an andere Orte auf Raiatea zu verpflanzen, sind fehlgeschlagen. Erst ab 400 Metern Höhe gedeiht die Tiare Apetahi. Warum, weiß niemand. Die einzige Erklärung liefert die widersprüchlich überlieferte Legende. Mal ist’s ein armes Mädchen, das seinen Prinzen nicht heiraten konnte, mal eine betrogene Ehefrau, auf jeden Fall hackte die schöne Apetahi ihre Hand ab und begrub sie auf dem Mt. Temehani. Irgendwann wuchs an dieser Stelle ein Strauch mit der handförmigen Blüte. Tiare ist das tahitianische Wort für Blume. Merci Thierry! ![]() Ich setzte mich in eine Kuhle, damit der Wind mich nicht wegblasen konnte. |