Durchgerüttelt und -geschüttelt in Lyttelton

Beim ersten großen Beben (Stärke 7,1 auf der Richter-Skala) hatte ich Glück, denn ich war bei meinen Großeltern in Deutschland zu Besuch. Da das Epizentrum mehr als 70 Kilometer von meinem Wohnort Lyttelton entfernt war, waren die Schäden hier nicht gravierend. Aber wir mussten aufräumen wie die Weltmeister, weil im Arbeitszimmer unterm Dach und im Vorratsschrank so ziemlich alles aus den Regalen gefallen war.
Das zweite Beben im Februar hatte zwar nur die Stärke 6,3, aber leider saßen wir direkt im Epizentrum und es war ganz schrecklich.

Schränke fielen um, Bilder flogen durch die Luft, es klirrte und krachte in allen Zimmern. Das Haus hüpfte auf und ab, wir wurden durchgerrüttelt und -geschüttelt, so als hielten wir uns an einem Presslufthammer fest. Zum Glück blieb das Haus stehen, auch wenn viele Dinge kaputt gingen und feine Risse in fast allen Wänden und Decken zu sehen waren. Da hatten wir mehr Glück als viele andere Leute, die plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf hatten. Ganz zu schweigen von den 182 Menschen, die starben, als sie von einstürzenden Häusern erschlagen wurden.
Das Stadtzentrum von Christchurch sieht aus, als hätte eine Megabombe eingeschlagen. Bei uns in Lyttelton sind alle drei Kirchen eingestürzt, viele Gebäude wurden ganz schnell abgerissen. Wir haben jetzt viele Baulücken, in denen hoffentlich bald neue Häuser gebaut werden. Ich habe einige Spaziergänge durch Lyttelton und Christchurch gemacht, um das Ausmaß der Zerstörung mit eigenen Augen zu sehen. Man kann's wirklich erst glauben, wenn man's selbst sieht.
Erdspalten
![]() Erdbebenwellen
![]() Die Erdbebenwellen werden von Geräten namens Seismographen aufgezeichnet. Auf der ganzen Welt sind Seismographen positioniert. Durch den Vergleich der Daten kann man exakt feststellen, wo das Epizentrum des Bebens war. Je weiter weg man ist, desto weniger nimmt man die Schwankungen wahr. Die Wissenschaftler, die sich mit Erdbeben beschäftigen, sind Seismologen.
Leben in Lyttelton
![]() Lyttelton ist zum Glück auf Felsgestein gebaut. So wurden wenigstens die Straßen nicht so stark beschädigt wie in Christchurch, wo sich der Untergrund verflüssigte. Dafür donnerten Felsbrocken ins Tal. Der Strom fiel aus - bei uns zum Glück nur für einen Tag. In einigen Stadtteilen waren die Leute wochenlang ohne Strom. Die Wasserversorgung war fünf Tage unterbrochen, für manche Leute auch länger.
Kollabierte Kamine
![]() Die meisten gemauerten Kamine stürzten ein, richteten ziemlichen Schaden in ansonsten wenig beschädigten Häusern an.
![]() St. Joseph
![]() Die Kirchen wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Diese katholische Kirche sah von Tag zu Tag mitgenommener aus.
![]() Das Empire Hotel
![]() Einige Wochen war die London Street total gesperrt. Dann rückten die Abrissbagger an. Vom Empire Hotel auf diesem Foto ist nichts übrig geblieben.
![]() | Plattentektonik
Das Problem der Erde ist, dass sie aus Kontinentalplatten besteht, die tief ins Erdinnere reichen. Diese Platten reiben aneinander, manche schieben sich auch unter- bzw. übereinander. Dieser dynamische Prozess heißt Plattentektonik. Wenn diese unterirdischen Spannungen zu groß werden, weil sich die Platten verhaken oder aufeinander prallen, bewegt sich die Erdkruste ruckartig. Die Erde bebt, auf den Straßen reißt der Asphalt. Das Foto oben zeigt den Norwich Quay in Lyttelton.
Verwerfungslinien
Manche Verwerfungslinien kann man leicht erkennen. Die meisten Menschen wissen bloß nicht, dass es Verwerfungslinien sind. Die Clay Cliffs in der Nähe von Omarama in Neuseeland sind beispielsweise durch ein Erdbeben entstanden. Dieses Beben auf der Ostler-Verwerfungslinie hob das Land um 100 Meter an und legte diese Klippen frei. Erosion durch Wind und Regen schufen die spektakulären Formen.
Strom- und Wasserausfall
![]() Wir fuhren zum Duschen zu Freunden, holten Wasser bei einem Nachbarn im Whirlpool und Wasser zum Kochen an einem Tank. Zum Glück funktionierte die Kanalisation, so dass wir kaum einmal in so ein Klohäuschen gehen mussten. In den östlichen Vororten von Christchurch dauern die Reparaturen noch ewig. Viele Leute sind schlimm dran. Die Häuser sind kaputt, sie haben keine Toiletten, können keine Wäsche waschen. Viele Leute sind weggezogen.
Begrabene Autos
![]() Geparkte Autos wurden von einstürzenden Fassaden begraben. Das hier im Hintergrund stand am Norwich Quay.
![]() Holy Trinity Church
![]() Aus Sicherheitsgründen wurde der Turm der Holy Trinity Anglican Church in den Kirchhof gesetzt. Das Kirchenschiff hat überall Löcher.
![]() Die Timeball Station
Die Timeball Station war das Wahrzeichen von Lyttelton. Sie muss abgebaut - nicht: abgerissen - werden und soll auch wieder aufgebaut werden. Nur vier andere solche "Zeitansagetürme" - also kein Schloss - waren weltweit noch in Betrieb. Die rote Kugel fiel früher, als die Technik noch primitiver war, jeden Tag um 13 Uhr mit einem lauten Donner nach unten, um den Schiffen im Hafen die genaue Zeit anzusagen.
![]() ... und auch eines unserer Stammcafés, die Lyttelton Lounge, die unglücklicherweise direkt daneben stand.
Pechvögel
Die Black Cat Cruises, die Delfin-Touren veranstalten und für den Fährbetrieb nach Diamond Harbour zuständig sind, waren die Pechvögel vom Dienst. Im September wurde ihr Büro am Norwich Quay beschädigt. Die Black Cat Cruises zogen ein paar Häuser weiter ins Harbour-Master-Gebäude, einen schönen Bau aus roten Ziegelsteinen. Dieses Gebäude bietet seit dem Februar-Beben einen traurigen Anblick. Die Firma musste wieder umziehen - und logiert jetzt in einem mickrigen Container direkt am Hafen. | Neuseelands ungünstige Lage
![]() Die Länder, die über diesen Plattengrenzen liegen, haben die meisten Erdbeben. Leider gehört meine Wahlheimat Neuseeland auch dazu. Hier treffen die Pazifische Platte und die Australische Platte aufeinander. Über den Plattengrenzen liegen die so genannten Verwerfungslinien. Bei einem Erdbeben wird hier die meiste Energie freigesetzt, das heißt hier rüttelt es am heftigsten. Ein Erdbeben sendet aber auch Erdbebenwellen aus, die sich über die ganze Erde ausbreiten.
Richter-Skala
![]() Die Stärke (= Magnitude) von Erdbeben wird, wie gesagt, von Seismographen gemessen. Die gebräuchlichste Skala ist die Richter-Skala. Kein Beben derselben Stärke fühlt sich gleich an. Es ist nämlich wichtig, wie tief das Epizentrum des Bebens liegt. Je tiefer, desto geringer sind die Auswirkungen an der Oberfläche. Unser 6,3-Beben war nur fünf Kilometer tief, deshalb die riesige Zerstörung.
Eingestürzte Häuser
![]() Fast alle historisch bedeutenden Gebäude in Lyttelton mussten und müssen noch abgerissen werden. Bei dem Gerüttel fiel so ziemlich alles ein, was aus Stein und Ziegelstein gebaut war. Holzhäuser auf Beton-Fundamenten wurden beschädigt. Pech für Lyttelton: In der Gründerzeit waren fast alle Häuser aus Holz, aber nach einem Brand mussten die Seitenwände aus Ziegel gebaut werden. Als Brandschutz. Die sind jetzt alle eingestürzt.
Schuttberge
![]() Die London Street und der Norwich Quay, unsere beiden Hauptstraßen, waren von Ziegelstein-Haufen gesäumt. Überall Absperrzäune.
![]() Union Parish Church
![]() ![]() ![]() Auch das Royal Hotel war eines unserer Stammlokale. Auch dieses historische Gebäude wurde dem Erdboden gleich gemacht.
![]() Das Büro-Gebäude der Black Cat Cruises, das im Februar vollends einstürzte.
Meine Erdbeben-Tour in Christchurch erscheint auf einer separaten Seite.
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