Freundliche Ohrenbeißer

Langbeinschnäpper schnappt beim Anblick meiner
kleinen Ohren über
 
Der oder die eine andere von Euch weiß ja schon, dass ich mit Vögeln in Neuseeland nicht immer die besten Erfahrungen gemacht habe. Die meisten Keas haben Angst vor mir. Wekas haben mir nicht bloß einmal ins Ohr gebissen und mich umgeworfen. Gelbhaubenkakadus (die es hier nur in Zoos und Wildparks gibt) weichen entsetzt zurück und fächern ihre gelben Hauben, wenn sie mich erblicken.
 
Und dann kommen da diese goldigen Robins - sorry, das ist der englische Name, auf Deutsch heißen sie Langbeinschnäpper! Also, die hopsen einem um die Füße oder auf den Hut und becircen einen. Mit Mama reden sie sogar und animieren sie, Papa und ihre Freund/innen zu Entzückensrufen wie: "Ach, wie goldig!" Oder: "Ach, wie putzig!" Und: "Ach, ist das nicht herzig?"
 
Das dachte ich eigentlich auch immer, wie Ihr auch an meinen Erlebnisberichten in Neuseelands "Feindfreien Vogelparadiesen" nachlesen könnt. Aber das war, bevor ich auf Ulva Island - das ist eine feindfreie Insel vor Stewart Island im tiefen Süden - eine ganz neue und befremdliche Erfahrung machte.
 
 

 
Es begann eigentlich ganz harmlos.
 
Wir streiften durch die Wälder, und ich ging auf Vogelbeobach-tungsposten. Ich hoffte natürlich, einen Kiwi - Neuseelands Nationalvogel - zu sehen.
 
Ich glaube, Robins sind noch neugieriger als ich. Als wir uns auf eine Bank setzten, schlich sich einer gleich von hinten an Mama heran.
 
Ich dachte mir, das muss ich mir auch mal aus der Nähe anschauen, zumal mir auf Motuara Island schon mal ein Robin auf den Schoß gehüpft war. 
 
Ich denke, das war nur ein Ablenkungsmanöver, denn plötzlich schaute er sich mein linkes Ohr ganz genau an.
 
"Der macht Dich nicht kaputt", sagte Mama. "Und wenn ich das Video auf YouTube stelle, wirst Du endlich berühmt." Also wirklich! Dann hörte der Robin kurz zu hacken auf - aber bloß, um sich meinem rechten Ohr zuzuwenden!
 
 
 
 
Wir setzten von Stewart Island nach Ulva Island über.
 
Eigentlich muss man sich gar nicht verstecken, weil die Vögel nicht wirklich Angst vor Menschen und Bären haben. Die Robins und Mama reden miteinander.
 
Dann zogen ihn Papas Schuhe magisch an. Ich habe keine Ahnung, was sie an Schuhen so toll finden, habe aber den Eindruck, sie halten sie für große Insektenverstecke.
 
Kaum saß ich auf dem Boden, schon
hopste ein Robin heran - ich glaube, es war immer derselbe. Und kaum hatte ich mich versehen, saß er schon auf meinem Kopf.
 
Kurz darauf ging er zur Attacke über. Ehe ich mich versah, pickte er in mein Ohr. "Mama!", rief ich entsetzt.
 
Und dort steigerte er sich in eine wahrhaftige Ekstase hinein. Er hackte wie ein Weltmeister im Zehntelsekunden-Takt. Ich denke mal, "Robbie" ging dann irgendwann die Puste aus und er hüpfte auf den Boden. Mama und Papa lachten noch immer...
Ich durfte sogar mal ans Steuer des Boots.
 
Die Robins hüpfen einem vor den Füßen herum, weil Insekten hochfliegen, wenn man auf dem Boden Blattwerk aufwühlt, und die Robins fressen die Insekten.
 
Auch Schnürsenkel finden sie hochinteressant. Am liebsten würden sie in die Schuhe kriechen. Auch Mamas Schuhe untersuchte er eingehend. 
 
Er schaute auch ganz unschuldig zur anderen Seite, hüpfte und drehte sich. Ich war froh, dass er mir nicht auf den Kopf... also, dass er nichts fallen ließ.
 
Und was tut die? Lacht sich halb kaputt! Dann begann sie zu filmen und sagte zu Papa, er solle weitere Fotos machen!
 
Ich hatte die Schnauze voll und flüchtete auf einen Baum. "Pass auf, dass Dich kein Papagei angreift!", rief Mama. Ich glaube, sie sagte das bloß im Scherz, aber mir war nicht nach Spaßen zumute. Ich kroch in den Rucksack und machte den Reißverschluss zu.
 
P.S.
Einige Tage später fand ich mein Erlebnis auch lustig, denn da wusste ich ja, dass ich die Attacke überlebt hatte.
Und hier ist der Link zu meinem Video auf YouTube:
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